Ein Kennzeichen künstlerischer Ausdrucksformen des 20.Jahrhundert besteht in der Vermischung klassischer Kunstgattungen. Die Genre darstellende Kunst, bildende Kunst, Literatur und Musik verlieren ihre klaren Grenzen. So hat der Architekt und Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, seine bekannte
Kunstschule im Jahr 1919 als Ort der Zusammenführung von Malerei, Musik, Tanz, Theater und Architektur konzipiert. Die Idee bestand darin, neue ästhetische Formen für den Alltag und das gesellschaftliche Zusammenleben zu entwickeln. In der zeitgenössischen Medienkunst, in Installationen und Interventionen im öffentlichen Raum sind die Konturen der klassischen Kunstgattungen nur noch schwer auszumachen. Der Künstler Olafur Eliasson
vermeidet daher genrespezifische Zuordnungen wie die des Malers, Bildhauers oder Architekten. Seine künstlerischen Interessen liegen im Bereich der Wahrnehmung, der Bewegung und der körperlichen Erfahrung. Er verfolgt ein Denken von Kunst, das der Partizipation und dem gesellschaftlichen Zusammenwirken verpflichtet ist. Diese Betonung verbindet zahlreiche Avantgarden des 20.Jahrhunderts.
Wir fragen, wie sich die Betonung von Zeitlichkeit und Prozessualität auf die Vermittlung von „Kunst“ ausgewirkt haben und weiterhin auswirken. Welche Herausforderungen entstehen, wenn „das Werk“ nicht als abgeschlossene Einheit und der Betrachter als dessen Rezipient angesehen wird? Wie kann „Kunst“ vermittelt und reflektiert werden, die nur im zeitlich-räumlichen Zusammenspiel von Gegenständen, Menschen, Bewegungen und
Erfahrungen existiert? Wie positioniert sich ein*e Kunstvermittler*In in diesen Gefügen?
Das Seminar beginnt mit einer Vertiefung zu den Aspekten Zeitlichkeit, Prozessualität und Intermedialität in der zeitgenössischen Kunst. Anhand von Beispielen und kunsttheoretischen Theoriebeiträge wird die
„Performativität ästhetischer Partizipation“ vorgestellt und befragt. Anschließend entwickeln die Teilnehmenden Konzepte und Strategien zur Kunstvermittlung. In der ersten Praxisphase werden Strategien für die Vermittlung in Gesprächsform entwickelt. Diese Phase findet im Seminarraum an der Hochschule Niederrhein statt. In Rollenspielen übernehmen die Teilnehmenden jeweils abwechselnd die Rolle der Vermittelnden und die der Zielgruppe. Die zweite Praxisphase findet vor Ort, d.h. an Ausstellungsorten und in Museen der Region statt. Die Teilnehmenden
entwickeln Vermittlungskonzepte mit Experimental- und Erlebnischarakter, wobei die Verortung der Vermittelnden eine besondere Aufmerksamkeit erhält: Wie positioniert sich die Kunstvermittlung, wenn sich die klassischen Positionen von Künstler und Rezipient im performativen Zusammenspiel der
Partizipationen verlieren?